Bei meinem gestrigen Stadtbummel hatte ich das große Bedürfnis, nach 22 Jahren, nämlich recht genau nach der Zeit meines Führerscheinerhalts, einen Optiker zu konsultieren.
Seit einiger Zeit wurden einfach meine Arme zu kurz beim lesen. Ich habe bemerkt, dass ich meine heiß geliebten Bücher sehr weit von mir weg halten musste um deren Inhalt noch adäquat erkennen zu können, was natürlich ein wenig unbequem war und vor allem sah es im Restaurant immer etwas unsexy aus, meinem Gegenüber die Karte ins Auge zu stechen oder zu fragen ob es möglich wäre mir die Karte vorzulesen.
Also habe ich mich mit meinen 39 Plus mutig entschieden einen Sehtest machen zu lassen.
Ich habe mir einen renommierten Optiker gewählt, direkt am Marktplatz, neben dem Scholz, da ich vermeiden wollte, später mit einer zart lila farbenen Kassengestellbrille, die eine Glasstärke und Dioptrien wie ein Colaflaschenboden besitzt, herum laufen zu müssen. Da ich keine Kinder habe, die als erstes Wort einen Brillenhersteller aufsagen müssen, wie es gerade in der Fernsehwerbung suggeriert wird und ich mich doch sehr über die debile einfallslosigkeit der Werbeagenturen wundern muss, finde ich es auch nicht so passen, in so einen Brillendiscounter ein optisch entscheidendes Accessoire meines zukünftigen Lebens, aussuchen zu müssen.
Da gehe ich doch lieber in ein Fachgeschäft mit Designereinrichtung und einem Gläschen Schampus bei Kaufabschluss. Kaufen soll Spaß machen!
Eine sehr nette, junge Optikerin hat mich an der Türe des Fachgeschäftes begrüßt und ich habe Ihr etwas von einem Sehtest diskret ins Ohr geflüstert und mit den Augen gezwinkert – ich bräuchte den garantiert nur für den Führerschein. Sie kicherte und wir gingen zum Sehtest. In dem Sehtesträumchen setzte Sie mir sehr interessante und oppulente Geräte auf den Kopf und ich war sehr froh, mit einer Milchglasscheibe vom Verkaufsraum abgetrennt zu sitzen, ich sah recht derangiert aus. Ich musste die obligatorischen Zahlen von Hochhaus- bis Nanomilimetergröße ablesen, was dann auch zu größeren Lacherfolgen führte, weil ich behauptete, ich hätte doch gleich die Quersumme genannt – sie müsse nur nach rechnen.
Die junge Optikerin nickte mir sehr freundlich zu und sagte, ich solle nicht böse sein, aber eine Alterskurzsichtigkeit bei meinem Jahrgang wäre vollkommen normal und nicht peinlich. Es war kurz angespannte Stille im Raum, ich hatte mir kurzfristig überlegt entweder hysterisch zu werden oder aber einen depressiven Heulkrampf zu bekommen, wir schauten uns dann gegenseitig an und prusteten Beide vor Lachen los.
Danach schob sie mir Gläser in verschiedenen Stärken vor die Augen und selbst die kleinsten Zahlen waren scharf wie eine Seemannsbraut und bedrohlich groß zu erkennen. Meine Weitsichtigkeit wurde auch getestet und ich wurde sehr gelobt – ich würde wie ein Lux sehen und hätte somit nur eine Lesebrille nötig.
Meine Eitelkeit war wieder einigermaßen hergestellt und wir gingen dann in den Verkaufsraum und hatten vie Spaß bei der Auswahl der Brille. Vom Brillenrepertoire Modell Nana Mouskouri (Weiße Rosen aus Athen… mit schwarzem dickem Horngestell) bis hin zum Gasmasken-Nasenfahrrad, Marke Öko-Glück war alles in meinem Gesicht. Entschieden habe ich mich dann für ein sehr hübsches Gestell von Prada, aus dunkelbraunem Horn, was mich nun unwiderstehlich streng erscheinen lässt. Zumindest meinte mein männlicher Einkaufsassistent, den ich dabei hatte: “streng und sexy“.
....Ein paar Stunden später meinte er allerdings auch, die Brille würde mich reifer wirken lassen. Noch reifer? Entweder werde ich die Brille nie tragen oder den Assistenten wechseln!!!
Grrrrrrrrrrrrr, ich werde nun üben, wie ich diese Brille lasziv einsetze, um meine Mitmenschen zu betören… Jedenfalls kann ich in einer Woche, wenn die Brille fertig ist, endlich wieder lesen und muss nicht immer Wörter raten spielen und mir bei Maren Gilser noch einen Konsonanten dazu kaufen müssen.
Sonntag, 30. September 2007
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